Bahnhofsareal Nord 2022

Artikel vom Haller Tagblatt, zeigt die Gründe aus, warum die Grünen die Tiefgarage im Bahnhofsareal Nord in Frage stellen. Vom 22.November 2022

Haller Tagblatt vom
22. 11. 2022

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Bahnhofsareal Die Grünen-Fraktion beantragt ein Moratorium. Die Gründe dafür: Das Mobilitätsverhalten ändere sich und die Haller Stadtwerke machen ein Millionendefizit mit Parkplätzen.
Von Thumilan Selvakumaran

Haller Tagblatt vom 22-11-2022
Copyright Haller Tagblatt „Grüne stellen Tiefgarage infrage

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Grüne stellen Tiefgarage infrage

Autos brettern neben dem unscheinbar wirkenden Hang an der Steinbacher Straße entlang, wo sich der im Sommer dicht bewachsene Streifen herbstlich bunt gefärbt hat. In der kommunalen Debatte ist das grüne Refugium aber alles andere als unscheinbar. Grüne und Haller Baumschützer stören sich seit Jahren daran, dass die Fläche mit rund 200 Bäumen gerodet und durch Beton ersetzt werden soll.

Einen entsprechenden Ratsbeschluss gibt es aber bereits. Geplant ist eine Tiefgarage auf zwei Etagen, direkt darauf mehrgeschossige Gebäude. Das Ensemble soll das künftige Bahnhofsareal Nord bilden. Integriert wird auch ein Fahrradparkhaus sowie eine Unterführung zum Bahnhof und dem zukünftigen Wohnquartier hinter den Gleisen.

Die Ratsfraktion der Grünen will das Thema dennoch erneut
grundsätzlich beleuchten. Ihr Argument: Die Parkgebühren wurden wegen des Defizits bei den Stadtwerken kürzlich erhöht. Nun könnte die städtische Tochter zu sehr belastet werden, wenn sie eine weitere Tiefgarage bauen und betreiben soll. 2021 betrug das Defizit im Bereich Parkierung mehr als 2 Millionen Euro.

Kosten: zweistellige Millionen
Die Grünen stellen daher einen Antrag auf ein Moratorium für das Bebauungsplanverfahren Bahnhofsareal Nord, also eine Verschiebung. „Die geplante Tiefgarage wird Kosten in zweistelliger Millionenhöhe verursachen und das jährliche Defizit im Bereich der Parkierung weiter erhöhen“, heißt es im Antrag.

Auf Nachfrage der Redaktion erläutert Sprecherin Andrea Herrmann, dass zunächst mal der Bedarf definiert gehöre. Am Hessentaler Bahnhof seien tatsächlich viele Park&Ride-Flächen nötig. „Am Haller Bahnhof sieht es mir aber mehr nach Hol- und Bringfahrten aus.“ Die Stadt solle lieber die Erhebung des Parkraumbedarfs innerhalb der Mobilitätsstudie abwarten.

Die Stellflächen für Anwohner müssten ohnehin nochmal debattiert werden. Aktuell geplant ist je ein Parkplatz pro Wohneinheit. Alexander Giebel von der CDU hatte gar die Erhöhung auf zwei gefordert, weil viele Familien zwei Autos hätten. Herrmann sieht das – wie auch Baubürgermeister Peter Klink – anders. Die Fläche sei innenstadtnah, zudem ist dort ein neuer Busknoten geplant. Herrmann: „Wie sollen wir denn die Verkehrswende schaffen, wenn wir von der Anzahl nach oben gehen.“ Andere Kommunen würden bei innenstadtnahen Wohnprojekten, sogar unter dem Wert 1 liegen.

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass die Grünen mit ihrem Vorstoß durchkommen? Schließlich hat sich die Ratsmehrheit für das Siegermodell von K9 Architekten aus Freiburg entschieden – und auch nicht daran gerüttelt, als 2021 ein Alternativvorschlag des Umweltzentrums einging.

Die SPD-Fraktion erklärt auf Nachfrage, dass ihnen anhand des Antrags nicht klar sei, wie lange das Verfahren durch das Moratorium verschoben werden soll und ob es am Ende in die Aufgabe des Projekts münden könnte. Die Doppelspitze um Lena Baumann und Michael Rempp verweist auf den im Dezember 2021 mit nur einer Gegenstimme beschlossenen Förderantrag zur Vernetzung des ÖPNV. Dieser umfasse Park&Ride, Fahrradstellplätze, Carsharing und Ladesäulen. Rempp schreibt:„Diese notwendigen Punkte würde ich ungern in Form eines oberirdischen Großparkplatzes oder in Form eines oberirdischen Parkhauses (unter Aufgabe von Wohnbebauung, die der ökologisch sinnvollen Nachverdichtung dient) erfüllen.“ Ob aufgrund des Förderantrags „eine Verschiebung überhaupt möglich oder sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln“. Baumann: Faktenlage fehlt FWV-Sprecher Hartmut Baumann verweist darauf, dass die städtische Tochter Bauherrin ist. „Somit muss die Entscheidung hinsichtlich eines Aufschubs zunächst im nichtöffentlichen Aufsichtsrat der Stadtwerke geklärt werden.“ Das sei, so das Aufsichtsratsmitglied, bisher nicht geschehen. „Ohne Kenntnis einer prüffähigen Faktenlage“ möchte sich die Fraktion nicht äußern.
Das meint auch FDP-Chef Walter Döring. Er wolle die Debatte im Rat nicht vorwegnehmen, „zumal ich gerne noch eine ausführlichere Begründung hören möchte“. Bei der CDU stehe eine genaue Prüfung des Antrags aus. Es gebe daher, so Sprecher Ludger Graf von Westerholt, noch keine abgestimmte Meinung. Klar sei, dass das Bahnhofsareal „ein sehr langfristiges Projekt“ ist, dessen Gesamtplanung der Rat gebilligt habe. „Wenn Tochtergesellschaften der Stadt dort investieren, sind wir an deren Stellungnahmen interessiert.“

Zielen die Grünen letztlich auf die Streichung der Tiefgarage? Herrmann will nach eigenen Angaben „noch keine Pflöcke einschlagen“. Der Fraktion gehe es zunächst um die Debatte. Am Ende könne aus ihrer Sicht auch stehen, dass die Dimension reduziert wird. „Das Mobilitätsverhalten der Menschen ändert sich stark.“ Der Bedarf müsse den hohen Betrag, der investiert werden soll, rechtfertigen. Die Grünen seien „in alle Richtungen offen“. Wann am Areal Nord gebaut werden kann, steht noch gar nicht fest. Die Bahn hat zwar im August die Unterführung genehmigt. Allerdings hängt die Förderung vom geplanten zweiten Gleis ab, wofür ein langwieriges Genehmigungsverfahren nötig ist.

Alternativvorschlag des Umweltzentrums
Bereits vor den Grünen hat das Umweltzentrum im März 2021 die Planung der Tiefgarage infrage gestellt. Der Leiter Martin Zorzi reichte damals einen Alternativvorschlag ein, der von
einem befreundeten Stadtplaner kostenlos entworfen worden sein soll.

Durch die Verlegung der Einfahrt von der Steinbacher Straße zur
Neuen Reifensteige sowie die Verlagerung des Busknotens vor den Bahnhof könnte auf den „brachialen Eingriff“ in die Natur verzichtet werden. Das gehe „ohne große Abstriche bei
Park- und Gebäudenutzungsvolumen“. Stattdessen könnten Kosten eingespart werden. Der Rat hatte damals mehrheitlich beschlossen, am ursprünglichen Verfahren festzuhalten und
den Alternativvorschlag im späteren Verlauf in der Abwägung von öffentlichen Stellungnahmen zu bewerten. thumi

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Baumschützer geben nicht auf

Tropfen prasseln auf das kühle Kopfsteinpflaster. Passanten eilen durch die Altstadtgassen, um unter ihren Schirmen möglichst trocken zu ihren Zielen zu gelangen. Keine guten Bedingungen, um auf der Neuen Straße in Debatten einzusteigen. Und dennoch: Vier Baumschützer stehen dort im Regen und strecken den Menschen Flyer entgegen. Auf einem steht: „Klimaschutz beschleunigen! Stadtbäume erhalten!“. Auf einem anderen: „Rettet die Bäume am Haller Bahnhof“.

Streitpunkt ist – wie in Hall so oft – ein Bauprojekt. Denn nicht nur jenseits der Gleise des Stadtbahnhofs wird gebaut – dort entsteht ein neues Wohnquartier. Auch der Bereich zwischen Gleisen und Steinbacher Straße soll sich wandeln: Sechs Gebäude – vier und sechsstöckig – entstehen. Unter anderem wegen einer Tiefgaragenausfahrt und einer neuen Bushaltestelle soll der Hang gerodet werden. Seit Jahren protestieren Bürger gegen das Vorhaben. 1615 Personen beteiligten sich an einer Online-Petition. Bei der Übergabe der Unterschriftenlisten sagte der damalige Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim, die
Akteure kämen zu spät.

Alternativer Entwurf
Das Umweltzentrum ließ 2021 von einem Stadtplaner einen alternativen Entwurf erstellen. Ziel sei, so Martin Zorzi, den „brachialen Eingriff“ in die Natur ohne große Abstriche bei Park- und Gebäudenutzungsvolumen zu verhindern. Da in der Alternative die Tiefgaragenzufahrt an die Reifensteige und die Haltestelle samt Wendeplatte direkt vor den Bahnhof gelegt sind, sei eine Rodung der Böschung nicht nötig.

Baubürgermeister Peter Klink brennt dagegen für den Entwurf von K9 Architekten. Aufgrund der Belüftung und Beleuchtung der Tiefgarage, aufgrund des ÖPNV-Knotens sei es richtig, die Böschung zu öffnen. Die Haltestelle an der Straße verbinde die Katharinenvorstadt, das Behördenzentrum, Kino und Globe erstmals direkt mit dem Busnetz. Das ginge vor dem Bahnhof mit Buswendeplatte nicht, zudem wäre dann dort kein Platz mehr für den geplanten Biergarten. Die Mehrheit der Räte folgte im März 2021 Klinks Meinung, dass der kurz vor Beschluss eingereichte Alternativvorschlag des Umweltzentrums auch noch im späteren Verlauf des Bebauungsplanverfahrens geprüft werden könne.

iner der Baumschützer, der eineinhalb Jahre später im Regen steht und sich darüber ärgert, dass die Sache seither „in der Verwaltung hängt“, ist Peter Wüntscher. „Klink ist nicht Willens, Zugeständnisse zu machen.“ Die Tiefgarage dürfe in Zeiten des Klimawandels so nicht mehr gebaut werden. Jeder Baum, der Schatten spendet, sei wichtig. Seine Mitstreiterin Christine Wagenblast nennt die „Grüne Stadtplanung“ und ein „Plan B“, die andernorts bereits einen hohen Stellenwert hätten, etwa in Mannheim, Ludwigsburg und München. Der Umgang damit in Hall sei dagegen „fragwürdig“. Jetzt werde ein Quartier ohne Grün, aber mit viel Beton geplant. Wüntscher ergänzt: „Gehen Sie doch mal im Hochsommer über den Dietrich-Bonhoeffer-Platz oder die Weilerwiese. Dort spüren Sie gleich die doppelte Hitze.“

Er verweist auf das Umweltzentrum, das den Bewuchs kartiert habe. Wünschter geht dabei auch auf die Kritik von SPD-Stadtrat Nikolaos Sakellariou ein, der den Begriff Böschungsschützer für geeigneter hielt, da es eher um Büsche gehe. Wüntscher: „Da stehen 150 Bäume mit einem Umfang von mehr als 30 Zentimeter.“ Eine Neubepflanzung sei teuer. Die Bäume bräuchten Jahre, um wieder diese Höhe zu erreichen.


Info-Stand
15.10.2022

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Bahnhofsareal Nord Infostand 18.10.2022

Am 15. Oktober 2022, von 10 – 14 Uhr, hielt die Baumschutzgruppe in der Neuen Straße an der Commerzbank einen Informationstag ab, der die Situation über den gefährdeten Grüngürtel am Bahnhofsareal Nord zum Thema hatte.
Die Themen:
„Grüngürtel am Bahnhof SHA muss bleiben“
und
„Bäume und Grünbereiche pflegen und erhalten“ .

Das Wetter war regnerisch, nicht desto trotz verbrachten wir im interessanten Austausch mit unseren Mitbürgern, eine sehr gute und informative Zeit. Viele Passanten*Innen nahmen die Flyer gerne mit, die wir vorbereitet hatten. Manch einer wusste schon von den Plänen der Stadt, andere waren erstaunt und wollten mehr darüber erfahren wir haben ihnen die Situation gerne erklärt.

Im Großen und Ganzen können wir sagen:
Die lange Trockenheit und die Hitze im Sommer zeigten, wie aktuell diese Themen sind und wie dringend es ist Schattenbereiche, die die Umgebung angenehm herunterkühlen, zu erhalten, insbesondere dann, wenn gut durchdachte alternative Pläne vorliegen.

Der bedrohte Grüngürtel

UM ETWAS ZU BEWIRKEN…

braucht es den Willen und Unterstützung der Bevölkerung

Bäume, die nur langsam wachsen, tragen die besten Früchte.

— Molière

Ein Leben ohne Liebe ist wie ein Baum ohne Früchte.

—Stephen King